OLG Naumburg: Ein Planer muss die Eignung des vorgesehenen Baumaterials prüfen
Gelegentlich kommt es vor,
dass falsches Baumaterial eingebaut wird. Der Rückbau kann mit hohen Kosten
verbunden sein. Wird das Unternehmen auf Schadensersatz in Anspruch genommen,
so führt dies häufig aufgrund des hohen Schadens zur Insolvenz des
Unternehmens. Es stellt sich insbesondere dann die Frage, ob der Architekt, der
oft mit einer Haftpflichtversicherung ausgestattet ist, in Anspruch genommen
werden kann.
Mit dieser Frage hatte
sich kürzlich das OLG Naumburg (Urteil vom 01.10.2014, 12 U 18/14) auseinander
zu setzen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine Verzinkerei
beauftragte einen Ingenieur mit der Planung der Fassadensanierung ihrer
Produktionshalle. Die ursprüngliche Stahlblechfassade war infolge der bei der
Produktion eingesetzten Chemikalien korrodiert. Daher wünschte die Verzinkerei
den Einsatz von PVC-Fassadenelementen. Im Laufe der Beratungen zum
Materialeinsatz wurde ein Unternehmen H hinzugezogen, das auf die Herstellung
von PVC-Fassaden spezialisiert war. H pries sein Produkt in mehreren
Vieraugengesprächen gegenüber der Verzinkerei an. Nach einer Bauberatung unter
Anwesenheit der Verzinkerei und des Ingenieurs, in der H sein Material wiederum
als geeignet empfahl und Referenzobjekte nannte, entschied sich die Verzinkerei
zur Verwendung der PVC-Fassadenelemente von H. Nachdem die Elemente verbaut
worden waren, rissen sie und verformten sich. Die Verzinkerei forderte
Schadensersatz vom Ingenieur wegen Verletzung seiner Materialprüfungspflicht.
Der
Klage wurde stattgegeben. Nach Ansicht des Senats hat der Ingenieur die
Pflicht, das Produkt von H auf seine Brauchbarkeit
für den Einsatzzweck zu prüfen sowie die Verzinkerei aufzuklären und zu
beraten. Er habe sich nicht auf die Anpreisungen von H verlassen dürfen.
Insbesondere liege zwischen der Verzinkerei und H kein selbstständiger Beratungsvertrag vor, der den Ingenieur von
seiner Materialprüfungspflicht befreit hätte. H habe sich im Rahmen der Gespräche
lediglich um den Absatz seines Produkts bemüht. Sofern der Ingenieur das
angepriesene Material nicht habe prüfen können, hätte er zumindest auf ein Garantieversprechen des H hinwirken
oder auf die Risiken hinweisen müssen, die es mit sich bringe, wenn man den
Produktanpreisungen des Verkäufers von Baumaterial vertraue.
Die
Entscheidung verdeutlicht, dass die „Empfehlungen“ von „Spezialherstellern“ mit
Vorsicht zu genießen sind. Sie entbinden Architekten und Ingenieure regelmäßig
nicht von ihrer Prüf- und Hinweispflicht. Architekten bzw. Ingenieure sollten
beim Einsatz von Material, dessen Eignung sie nicht sicher einschätzen können,
besondere Vorsicht walten lassen. Sie sollten den Bauherrn auf Ungewissheiten
und damit verbundene Risiken hinweisen. Sie sind nicht nur bei neuartigen
Materialien gut beraten, vom Hersteller eine Garantieerklärung zu fordern.
Andernfalls besteht Haftungsgefahr.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt, Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer, Meurerstraße
33, Hückelhoven-Ratheim
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