OLG Hamm: Abrechnung nach Kündigung: Auftragnehmer muss nachträglich (fiktive) Urkalkulation erstellen
Nach Kündigung eines Vertrags hat der
Auftragnehmer eine Rechnung zu erstellen. Wie muss diese Rechnung auszusehen?
Mit dieser Frage hatte
sich kürzlich das OLG Hamm auseinanderzusetzen (Urteil vom 26.02.2015, Az. 24 U
56/10). Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: AG und AN schließen -
ohne wirksame Einbeziehung der VOB/B - einen Bauvertrag über die Errichtung
eines Einfamilienhauses zu einem „Fest- und Pauschalpreis“ in Höhe von 230.000
Euro. Der AN hatte dem AG im Vorfeld des Vertragsabschlusses eine
Kostenaufstellung mit der Bezeichnung „Valentina Geier 2“ über 273.150,62 Euro
unterbreitet; im Prozess legte der AN eine dem AG bis dahin nicht bekannte
weitere Kostenaufstellung „Valentina Geier 3“ über 229.742,11 Euro vor. Beide
Kostenaufstellungen stellen jedoch lediglich bloße Additionen von Gewerkesummen
dar. Nach dem Auftreten erheblicher Differenzen stellt der AN die Arbeiten ein
und nimmt diese trotz mehrfacher Aufforderungen des AG nicht wieder auf. Der AG
kündigt daraufhin den Bauvertrag und verlangt Rückzahlung eines Teils der
bisher geleisteten Abschlagszahlungen (106.364,97 Euro) in Höhe von 28.864,97
Euro.
Die Kündigung ist nach Auffassung des
OLG Hamm zu Recht erfolgt. Der AN habe Anspruch auf Vergütung der erbrachten
Leistungen in Höhe von 103.500 Euro, so dass der AG Rückzahlung von 2.864,97
Euro fordern könne. Zwar habe der AN die Leistungen, die Gegenstand des Pauschalvertrags
sind, nicht, wie bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag eigentlich
erforderlich wäre, in Einzelleistungen aufgegliedert und diese mit Preisen aus
der dem Vertragspreis zu Grunde liegenden (Ur-)Kalkulation bewertet, aber der
AN könne auch ohne Vorlage einer detaillierten nachträglichen Kalkulation
behaupten, dass das Preisniveau über alle Einzelleistungen hinweg -
gemessen an den üblichen Preisen - gleich hoch sei. Die erbrachte
Leistung und die geschuldete Leistung könnten jeweils nach üblichen Preisen
berechnet und ins Verhältnis gesetzt werden. Der sich dabei ergebende
Faktor sei anschließend mit der vereinbarten Gesamtvergütung zu multiplizieren.
Etwas anderes gelte nur, wenn das behauptete einheitliche Preisniveau vom AG
bestritten werde oder nach den Umständen ernsthafte Anhaltspunkte für Ausreißer
in der Kostenstruktur des AN bestünden.
Das OLG Hamm verweist auf die höchstrichterliche Auffassung des
Bundesgerichtshofs und gibt an, der AN habe durch die oben genannte Berechnung
in anderer Weise dargelegt, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung
des Preisniveaus zu bewerten seien. Hiernach gilt: Die Abrechnung der
erbrachten Leistungen im Anschluss an eine Kündigung hat auf der Grundlage der
Urkalkulation des Auftragnehmers zu erfolgen. Hat der Auftragnehmer den Vertrag
nur auf Grundlage überschlägiger Zahlen oder ohne jede Berechnung seiner Kosten
geschlossen, hat er zwecks Bewertung des Anteils der erbrachten Leistungen an
der geschuldeten Gesamtleistung nachträglich eine (fiktive) Kalkulation zu
erstellen, die zu dem vereinbarten Preis passt und seiner Kostenstruktur
möglichst gut entspricht. Dabei kann er sich jedoch darauf berufen, alle
maßgeblichen Einzelpositionen und Kostenelemente entsprächen gleichermaßen
demselben Prozentsatz, gemessen am üblichen Kostenniveau, falls nicht der
Auftraggeber nachvollziehbar eine abweichende besondere Kostenstruktur des
Auftragnehmers behauptet. Grundsätzlich kann der Wert der erbrachten Leistungen
bei fehlender Urkalkulation demnach so berechnet werden, dass der übliche Preis
der erbrachten Leistungen ins Verhältnis zum üblichen Preis der vereinbarten
Gesamtleistung gesetzt wird und der sich dabei ergebende Faktor mit dem
vereinbarten Gesamtpreis multipliziert wird. Genügt die Rechnung diesen
Anforderungen nicht, so muss der Auftragnehmer mit einer Klageabweisung
rechnen.
Sollten
Sie hierzu Fragen haben, sprechen Sie uns an. Wir stehen Ihnen gerne für eine
kostenlose Erstberatung zur Verfügung.
Dr. Wolfgang Meurer, Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Meurer,
Meurerstraße 33, Hückelhoven-Ratheim
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